Berücksichtigung der Einflüsse von Umgebungsparametern bei der Identifikation einer mechanischen Struktur
Motivation
Das Vorhaben befasst sich mit den Einflüssen von Nebeneinwirkungen auf die Schadensidentifikation und –lokalistation von mechanischen Strukturen unter ambienter Anregung (z. B. Wind, Wellen, Verkehr, etc.). Auf mechanischen Strukturen wirken neben den üblichen statischen und dynamischen Lasten auch Umgebungs- und Betriebseinflüsse (engl. Environmental and Operational Conditions, kurz EOC) wie etwa Temperatur, Feuchte oder Motoren einer Lüftungsanlage. In experimentellen Laboruntersuchungen können solche Einflüsse entweder ausgeschlossen oder konstant gehalten und deshalb vernachlässigt werden. Im Gegenzug dazu, sind für reale mechanische Strukturen diese Einflüsse in ihrem Zusammenspiel, ihrer jeweiligen Ausprägung und ihrem spezifischen Einfluss auf das dynamische Verhalten größtenteils unbekannt. Dabei sind für die strukturelle Überwachung von mechanischen Strukturen während des Betriebs die einwirkenden Umgebungs- und Betriebseinflüsse von signifikanter Bedeutung. So können veränderte Umweltbedingungen etwa eine Veränderung der Eigenfrequenzen hervorrufen, was bei einer Frequenzanalyse die Schadenslokalisation behindert oder gar unmöglich macht. Das Einbeziehen von EOC ist für eine Strukturüberwachung unerlässlich, da nur so die von außen induzierten Schwankungen der strukturellen Eigenschaften in Relation zu den Änderungen der mechanischen Parameter gebracht werden können. Die Problemstellung liegt darin begründet, dass ein struktureller Schaden als eine lokale Veränderung der mechanischen Parameter (Masse oder Steifigkeit) erfasst wird, während die EOC einen globalen Einfluss auf diese Parameter ausüben (z. B. temperaturabhängiger E-Modul). Die EOC sind vielfältiger Natur und an realen Strukturen niemals vollständig bekannt. Unter der Annahme einer Vielzahl an EOC-Klassen kann die mechanische Struktur als ein linear Parameter Varying-System (LPV) betrachtet werden. Die automatisierte Zustandsidentifikation mechanischer Strukturen während der Nutzungsphase stellt ein aktives Forschungsfeld auf dem Gebiet der Strukturüberwachung dar.
Abbildung 1: Änderung von Eigenfrequenzen bei wechselnden EOC-Bedingungen (α-Faktor) und Schadensfall.
Ziel des Forschungsvorhabens
Ein häufig verwendeter Ansatz ist das Einbinden der EOC ausschließlich über physikalische Grundprinzipien (z. B. über FEM-Modelle). Dies kann sehr aufwendig, wenn nicht gar unmöglich sein. Zusätzlich birgt diese Herangehensweise den Nachteil, dass sie allein auf Annahmen über das mechanische System beruht und nicht auf realen Erkenntnissen.
Aufgrund dieser Umstände scheint ein messdatenbasierter Ansatz der Systemidentifikation vorteilhaft. Hierzu bieten sich Methoden der Data Science an, die optimal geeignet sind, um aus großen Datenmenge komplexe Zusammenhänge zu finden und zu quantifizieren. Data Science Methoden bieten dabei verschiedene Ansätze, wobei einer der vielversprechendsten Ansätze die Klassifikation ist. Die Algorithmen gehören zu den Methoden des Supervised-Learning und leiten aus den Mustern in den Daten Hintergrundinformationen im Vergleich zu bekannten Daten ab. Die bereits veröffentlichte Methode zur Schadenslokalisation state projections estimation error (SP2E) konnte in Simulation bereits so erweitert werden, dass ein Einbeziehen der EOC möglich ist. Dieser Ansatz beruht auf Output-Only Messungen der zu untersuchenden Strukturen infolge ambienter Anregung. Damit erfolgt die Berücksichtigung der EOC nicht im Nachgang über statistische Analysen, sondern ist systemtheoretisch in der Methode enthalten. Diese Methoden sollen für den Einsatz an realen Strukturen erweitert, stabilisiert und anschließend experimentell verifiziert werden.
Vorgehen
Das Einbinden der EOC erfolgt in drei Phasen. Zunächst wird auf Basis einer Output-Only Strukturmessung ein Normierungsmodell, beispielsweise mit bekannten SSI-Methoden, identifiziert. Die zweite Phase stellt eine Lernphase dar, in welcher die LPV-Systeme gemäß der auftretenden EOC in Klassen eingeteilt werden. Die dritte Phase repräsentiert die zu überwachende Lebensphase einer Struktur. Zuvor als maßgeblich identifizierte EOC werden fortlaufend gemessen und der Strukturzustand über Output-Only Identifikation überwacht. Mit den Referenzmodellen und den EOC-Klassen kann eine EOC-Prozessanalyse durchgeführt werden. Dazu wird ein EOC-Vektorraum gebildet, welcher die veränderlichen Eigenschaften abbildet und in der Überwachungsphase eine Schadenslokalisation mittels SP2E erlaubt.
Veröffentlichungen
Konferenzbeiträge und wissenschaftliche Vorträge
- Damage localization of mechanical structures considering environmental and operational conditions based on output-only system identification and H∞-estimation; M. Vollmering, M. Rohrer, A. Lenzen; Mechanical Systems and Signal Processing 156 (2021), 107572, 2021.